05.07.2021

Physiker/innen testen, wie spukhaft Bose-Einstein-Kondensate sind

Ein internationales Team mit Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat eine neue Methode entwickelt, mit der sich der Grad der Verschränktheit von Atomen in einem Bose-Einstein-Kondensat bestimmen lässt. Das berichten die Quantenphysiker/innen in einer aktuellen Publikation in den Physical Review Letters.

© Alexander Rommel/ÖAW

Wenn eine Gruppe von Atomen unter kontrollierten Bedingungen nahe an den absoluten Temperaturnullpunkt gekühlt wird, ändert sich der Aggregatzustand der Materie. Die Atome teilen sich dann einen einzigen Quantenzustand, das ultrakalte Gas wird dadurch zu einem Bose-Einstein-Kondensat. Die Theorie sagt, dass in Bose-Einstein-Kondensaten allein die Gesetze der Quantenphysik die Spielregeln vorgeben. Das heißt, dass es zwischen den Atomen Verbindungen gibt, die sich klassisch nicht erklären lassen. Diese sogenannte Verschränkung, die von Albert Einstein als “spukhaft” bezeichnet wurde, ist eine grundlegende Eigenschaft von Quantensystemen, deren einzelne Komponenten nicht unabhängig voneinander beschrieben werden können.

Nachzuweisen, dass solche Verschränkung in einem Bose-Einstein-Kondensat vorliegt, ist allerdings alles andere als trivial. Da die Kontrolle einzelner Atome in einer ultrakalten Atomwolke technisch derzeit noch zu herausfordernd ist, können Physiker/innen mit Messungen nur wenige kollektive Eigenschaften eines Bose-Einstein-Kondensats erfassen. Forscher des Wiener Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) haben mit Kolleg/innen aus der Schweiz und Japan nun eine Möglichkeit gefunden, aus kollektiven Zuständen eines Bose-Einstein-Kondensats Rückschlüsse auf die Stärke der Verschränkung im System zu ziehen. Die Methode beruht darauf, verschiedene kollektive Eigenschaften eines Quantensystems zu nutzen, um Daten über die Stärke der Verschränkung zu gewinnen. Bisher ließ sich Verschränkung mit derartigen Methoden lediglich nachweisen, ihre Stärke aber nicht bestimmen.

Neue Struktur offenbart

Die Forscher/innen haben ihre Methode auch schon an Daten aus früheren Experimenten ihrer Schweizer Kollegen erprobt. So wurde nachträglich anhand von älteren Messungen von Bose-Einstein-Kondensaten der Grad der Verschränkung in den entsprechenden Systemen rekonstruiert. Als konkretes Beispiel wurde etwa ein Bose-Einstein-Kondensat aus etwa 500 Atomen herangezogen. Anhand dieser Daten konnten sie anschließend Verschränkungen zwischen zwei oder mehr Teilchen auf Basis von Messungen des kollektiven Spins des Systems quantifizieren. “Wir können bereits etablierte Messmethoden verwenden, um Verschränkung nicht nur nachzuweisen, sondern auch ihre Stärke zu bestimmen. Das geht auch mit Messdaten aus früheren Experimenten”, sagt Matteo Fadel von der Universität Basel, der Erstautor der Publikation ist.

“Es ist wirklich spannend zu sehen, wie unsere abstrakten Methoden plötzlich neue Strukturen in diesen existierenden Datensätzen offenbaren. Es ist, als ob sich diese zusätzliche Information über die Verschränkung im System bisher direkt vor unseren Augen versteckt hat”, sagt Giuseppe Vitagliano vom ÖAW-Institut in Wien.

Neue Messlatte

Verschränkung ist die Basis für künftige Quantentechnologien. Erst solche nicht-klassischen Korrelationen zwischen Teilchen machen Quantencomputer zu guten Kandidaten für manche Berechnungen, und selbst abhörsichere Quantenkommunikation kann damit realisiert werden. Je besser die Verschränkung in komplizierten Quantensystemen vermessen und verstanden werden kann, desto mehr können Forscher/innen aus solchen Systemen herausholen.

Die neue Methode der Physiker/innen könnte in Zukunft als Maßstab für die Verschränkung von komplexen Quantensystemen dienen und so die Qualität der Experimente verbessern. “Wir wissen, dass diese ultrakalten Systeme verschränkt sind, aber sie geben ihre Geheimnisse nicht so einfach preis. Dieser erste Schritt zum besseren Verständnis motiviert uns, die Methoden weiter zu verfeinern”, sagt Nicolai Friis von der ÖAW.

 

Auf einen Blick

Publikation:

"Entanglement Quantification in Atomic Ensembles", Matteo Fadel, Ayaka Usui, Marcus Huber, Nicolai Friis, and Giuseppe Vitagliano, Phys. Rev. Lett., 2021
DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.127.010401

 

 

 

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